Ein Jahr im Stadtrat - ein Erfahrungsbericht von Joel Hauser

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Ein Jahr im Stadtrat - ein Erfahrungsbericht von Joel Hauser

Donnerstagabend, 18:50 Uhr. Die Aula im Schulhaus Weidteile füllt sich langsam. Stadtrats- und Gemeinderatsmitglieder trudeln ein, begrüssen sich (alle per Du) und nehmen Platz. Getuschel über bevorstehende Traktanden oder die letzten Ferien.

19:00 Uhr, die Stadtratspräsidentin Bettina Bongard klingelt mit ihrer Glocke. «Ich begrüsse Sie zur Sitzung des Stadtrates.» 25 Mitglieder sind anwesend, fünf abwesend – entschuldigt. Der Rat ist somit beschlussfähig. Bevor aber Beschlüsse gefasst werden, wird beraten. Bei jedem Geschäft gibt zuerst der Gemeinderat eine kurze Erklärung ab, anschliessend die Geschäftsprüfungskommission und am Schluss hat von jeder   Fraktion eine Sprecherin  oder ein Sprecher das Wort. Das tönt immer gleich: «Geehrte Stadtratspräsidentin, werter Gemeinderat, liebe Ratskollegen, Gäste und Medienvertreter.» Erst nach dieser Begrüssungsformel wird die Fraktionsmeinung vorgetragen. Vor den Abstimmungen wird teils noch hitzig diskutiert.

22:10 Uhr, das letzte Traktandum ist abgehakt, die letzte Abstimmung ausgezählt. Und obwohl gerade eben noch emotional debattiert wurde und man bei vielen Fragen komplett anderer Meinung war, kommen die meisten Ratsmitglieder noch auf ein Bier ins «Stadthaus».

Spannende Erfahrung
Etwa so verläuft eine Stadtratssitzung. Ich finde es sehr interessant, hinter die Kulissen blicken zu können und Teil der Nidauer Behörden sein zu dürfen. Man lernt   spannende   Leute kennen und kann sich mit ihnen austauschen. Vieles war für mich komplett neu. Nicht nur die exakten Sprechregeln oder die klare Sitzordnung, sondern auch die verschiedenen Themen, die besprochen werden. Über jedes einzelne Geschäft, ob es einen interessiert oder nicht, muss man sich im Vorfeld detailliert informieren. Denn an der Sitzung sollte man dann Bescheid wissen. Eigentlich habe ich keine Mühe, vor Leuten zu sprechen. Aber wenn alles so formell  abläuft, die Presse zuhört und ich zudem das Gefühl habe, dass ich in diesem Umfeld noch nicht so routiniert bin, habe ich immer noch Hemmungen. Darum habe ich auch noch keine Vorstösse gemacht.

Beide Seiten verstehen
Es liegt in meiner Natur, dass ich in den meisten Diskussionen gerne beide Seiten verstehen möchte. Und je tiefer ich mich in ein Thema einlese, desto mehr Argumente gibt es dafür oder dagegen. Es fällt mir nicht immer leicht, eine klare Richtung einzuschlagen. Oft müssen Dinge entschieden werden, von denen niemand im Detail alle Auswirkunkgen vorhersagen kann. Ich bin unterdessen schon viel gnädiger geworden mit unseren Politikerinnen und Politikern. Es sind alles Menschen wie du und ich.

Beteiligung ist wichtig
Manche mögen sagen: «Ich gehe nicht abstimmen, auf meine Stimme kommt es eh nicht an.» Das mag im ersten Moment so aussehen, doch jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger hat viel mehr Kraft und Gewicht als zumeist angenommen. Zum Beispiel kann bei Wahlen mit einer Stimmbeteiligung von 30 Prozent manchmal gerade eine einzelne Stimme über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Ich möchte mich bei allen im Gemeinderat so wie auch im Stadtrat bedanken, für das, was sie in unser «Stedtli» investieren. Es ist ein grosser Energie- und Zeitaufwand, welcher für unser Wohl betrieben wird. Zu den 4 bis 5 Stadtratssitzungen im Jahr kommen für die Stadträte rund 10 weitere Sitzungen in den Fraktionen oder den Kommissionen dazu. Ich habe das Gefühl, dass alle mit bestem Wissen und Gewissen handeln und das aus ihrer Sicht Beste für Nidau wollen. Auch wenn die Ansichten manchmal weit auseinanderliegen.

Deswegen finde ich es wichtig, dass wir als Bürgerinnen und Bürger unseres Ortes für die Politik beten und die Leute segnen, welche wichtige Entscheidungen fällen müssen - egal in welcher Partei sie sind.

Joel Hauser, Stadtrat